Der Deutsche Bundestag hat am 1. Dezember 2022 den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz – 8. SGB IV-ÄndG) beschlossen. Sofern das Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wird, ist zu erwarten, dass das Gesetz zum 01.01.2023 in Kraft treten wird.
Dieses umfasst auch weitreichende Änderungen am Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), die wir Ihnen hier in aller Kürze darstellen möchten. Zu beachten hierbei ist, dass das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und auch eventuelle weitere Änderungen nicht ausgeschlossen werden können. Die angestrebten Änderungen dürfen also noch nicht als „bare Münze“ verstanden werden.
Dennoch möchten wir Ihnen hier bereits einen Überblick über die wichtigsten geplanten Änderungen geben:
Die wohl gravierendste Änderung betrifft die Einführung des „Überwiegensprinzips“ für weitere selbstständige nichtkünstlerische Tätigkeiten.
Bislang war es so, dass das Überwiegensprinzip lediglich für selbstständige Künstler galt, die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit noch in einem Anstellungsverhältnis beschäftigt waren. War hier die Anstellung von wirtschaftlich höherer Bedeutung, wurde die Kranken- und Pflegeversicherung über das Angestelltenverhältnis geregelt; war die künstlerische selbstständige Tätigkeit überwiegend, wurde die Krankenversicherungspflicht nach § 1 KSVG durch die KSK beschlossen.
Für Künstler hingegen, die neben Ihrer künstlerischen Tätigkeit noch eine weitere selbstständige nichtkünstlerische Tätigkeit ausübten, galt dieses Prinzip jedoch nicht, was zu einer erheblichen Belastung für eine sehr hohe Anzahl von Selbstständigen führte. So durfte z.B. ein Web-Designer zwar mit dem Design von Websites unbegrenzt viel verdienen; wenn er jedoch mit Programmier- und Wartungstätigkeiten, die von der KSK als klassisch nichtkünstlerisch eingestuft werden, mehr verdiente als 5.400,00 € jährlich (bzw. 15.600,00 € seit dem 23.07.2021), so wurde er nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei. Dieses führte dazu, dass er sich dann selbst krankenversichern lassen musste und keinen Zuschuss mehr über die KSK in Anspruch nehmen konnte.
Dass diese Regelung zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung für betroffene Personen wurde, haben wir in der Vergangenheit bereits oft bemängelt.
Nun wird in § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG auch für Selbstständige das Überwiegensprinzip eingeführt, sodass die künstlerische Tätigkeit nur noch als Haupttätigkeit gelten muss, um auch in der Kranken- und Pflegeversicherung den Versicherungsschutz über die KSK aufrecht zu erhalten. Folglich müssen Selbstständige nicht mehr sklavisch eine sehr geringe Hinzuverdienstgrenze für nichtkünstlerische Tätigkeiten einhalten, um den Versicherungsschutz über die KSK nicht zu gefährden, sondern es reicht aus, wenn die künstlerische Tätigkeit insgesamt von wirtschaftlich höherer Bedeutung ist.
Diese Änderung stellt eine erhebliche Erleichterung für nahezu alle selbstständigen Künstler und Publizisten dar und wird von uns sehr begrüßt. Ob diese Neuregelung jedoch bedeutet, dass die KSK nun auch ihre Verwaltungspraxis für die Vergangenheit, also für nichtkünstlerische Einkünfte, die vor dem 01.01.2023 erzielt wurden, ändert, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Bislang war es so, dass ein Berufsanfänger innerhalb der ersten 3 Monate nach Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht stellen konnte, sofern er nachwies, dass er eine private Krankenversicherung abgeschlossen hatte, die einen ähnlichen Versicherungsschutz wie den der gesetzlichen Krankenversicherungen gewährte. Diese Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht konnte in den ersten 3 Berufsjahren widerrufen werden, sodass der Berufsanfänger zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln konnte. Nach Ablauf der ersten 3 Berufsjahre war die Befreiung jedoch bindend, sodass (zumindest nach dem KSVG) keine Rückkehr mehr in die gesetzliche Krankenversicherung möglich war.
Da insbesondere Berufsanfänger jedoch die Auswirkungen und Tragweite ihrer versicherungsrechtlichen Entscheidungen noch nicht umfänglich einschätzen können, führte diese Regelung dazu, dass den Betroffenen oftmals aus Unsicherheit oder Unkenntnis heraus das gesamte weitere Berufsleben lang der Weg zurück zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt blieb.
Durch eine Neuregelung des § 6 Abs. 2 KSVG wird die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nun jedoch an die „Höherverdienergrenze“ gemäß § 7 KSVG gekoppelt. Das bedeutet, dass die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nun 3 Jahre nach dem Ende des 3-jährigen Berufsanfängerstatus (also in der Regel 6 Jahre nach der Aufnahme der Tätigkeit) automatisch endet, sofern der Betroffene nicht beantragt, als Höherverdiener weiterhin von der Versicherungspflicht befreit zu werden und hierbei ein entsprechend hohes Einkommen von derzeit 187.650,00 € in den letzten 3 Jahren nachweist. Erst diese Befreiung als Höherverdiener ist dann unwiderruflich.
Auch diese Änderung wird von uns sehr begrüßt, da sie den Schutz von selbstständigen Künstlern und Publizisten vor einer möglicherweise unbedachten lebenslang bindenden Entscheidung zugunsten einer Rückkehr in das gesetzliche Krankenversicherungssystem erheblich ausweitet. Berufsanfängern wird mithin gefahrlos die Möglichkeit eingeräumt, das private Krankenversicherungssystem „auszuprobieren“, ohne dass sie Gefahr laufen, diese Entscheidung nicht mehr revidieren zu können.
Doch auch für Personen, die sich ehemals als Berufsanfänger von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht haben befreien lassen und nun freiwillig gesetzlich versichert sind, gibt es gute Neuigkeiten. Diesen stand bislang im Gegensatz zu privat Versicherten kein Zuschuss zur Krankenversicherung nach dem KSVG zu.
Durch eine Neuregelung der §§ 10 und 10a KSVG wird diese Ungleichbehandlung aufgehoben, sodass nun auch freiwillig gesetzlich Krankenversicherte auf Antrag einen Beitragszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten können.
Diese Neuregelung wird erfahrungsgemäß nicht viele Künstler und Publizisten betreffen. Für betroffene Personen kann dieses jedoch einen finanziellen Vorteil von mehreren hundert Euro monatlich darstellen, weswegen im Einzelfall definitiv überprüft werden sollte, ob man nun ebenfalls zum Kreis der zuschussberechtigten Personen nach § 10 KSVG gehört und einen solchen Zuschuss zur Krankenversicherung bei der KSK beantragen kann.
Mit einer Neufassung des § 13 KSVG erhält die Künstlersozialkasse weitreichende Befugnisse, um für die Prüfung der Einkommensverhältnisse Daten von den Betroffenen oder auch den Finanzbehörden anfordern zu können. So hat die KSK im Verdachtsfall nun auch die Befugnis, sich jährlich wiederkehrend Unterlagen über das Arbeitseinkommen vorlegen zu lassen. Mit der Neuregelung wird auch die Möglichkeit eingeräumt, zur Prüfung personenbezogene Daten der Betroffenen von den Finanzbehörden nach § 31 Abs. 2 der Abgabenordnung anzufordern.
Welche Auswirkungen diese neuen Befugnisse auf die Verwaltungspraxis der KSK haben, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit vorhersagen. Wir werden alle diesbezüglichen Änderungen der Arbeitsweise der KSK natürlich weiter beobachten und uns auf veränderte Prüfungsabläufe entsprechend einstellen.
Erst im Juni dieses Jahres (2022) hatte das Bundessozialgericht geurteilt, dass Unternehmer, die nur einmalig im Kalenderjahr zum Zwecke der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit einen Auftrag an einen selbständigen Künstler oder Publizisten erteilen, hierfür auch dann keine Künstlersozialabgabe zahlen müssen, wenn die Vergütung des Auftrages eine Grenze von 450,00 € übersteigt (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.2022, B 3 KS 3/21 R). Geklagt hatte hier ein Rechtsanwalt, der einen Webdesigner mit der Erstellung einer Internetseite beauftragt hatte und im Anschluss von der Künstlersozialkasse zur Abgabepflicht herangezogen wurde.
Der Gesetzgeber hat auf dieses Urteil entsprechend reagiert und den § 24 KSVG neu gefasst, sodass die Abgabepflicht nun auch dann entsteht, wenn entweder ein einmaliger Auftrag oder die Summe aller im Kalenderjahr erteilten Aufträge eine Höhe von 450,00 € übersteigen. Durch diese Änderung soll bei der KSK-Abgabepflicht mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, was zur Klarstellung auf das vom Bundessozialgericht am 01.06.2022 ergangene Urteil geboten erscheint.
Fazit:
Die meisten Änderungen des KSVG erscheinen aus unserer Sicht sehr begrüßenswert.
Die Einführung des Überwiegensprinzips für Selbstständige, die sowohl künstlerische als auch nichtkünstlerische Tätigkeiten ausüben, ist ein lang geforderter und notwendiger Schritt, um im Hinblick auf eine zunehmend hybridere Arbeitswelt, in der Mehrfachtätigkeiten immer stärker zur Normalität werden, einen effektiven Versicherungsschutz zu gewährleisten. Die Änderung erleichtert den Start bzw. Verbleib in einer hauptberuflichen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit und bringt bei der Kranken- und Pflegeversicherung eine überfällige Gleichstellung mit den Regelungen, die für abhängig Beschäftigte schon seit Jahren gelten.
Auch die Zuschussberechtigung für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte und die Erleichterungen für Berufsanfänger zur Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung sind Änderungen, die sich für die allermeisten Künstler und Publizisten als durchaus positiv darstellen.
Wie sich diese Änderungen, als auch die neu beschlossenen höheren Prüfkompetenzen der Künstlersozialkasse im Hinblick auf die Überprüfung von Arbeitseinkommen in der Praxis bemerkbar machen, bleibt jedoch abzuwarten. Wir werden diesbezüglich natürlich weiter recherchieren, um Sie auch in Zukunft weiterhin optimal beraten zu können. Über neue Entwicklungen rund um das Thema KSK werden wir Sie selbstverständlich auch weiterhin auf dem Laufenden halten.
Autor: Marlon Rother, Rechtsanwalt & KSK-Experte, Freie Wildbahn e.V.
Freie Wildbahn e.V. ist auf die Beratung zur Künstlersozialkasse spezialisiert und verfügt über langjährige Expertise in diesem Fachbereich. Wir freuen uns auf Ihre Fragen und darauf, Ihnen in unserer Beratung Klarheit zu bringen:
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